Ist eine Affäre böse?

Affären haben einen sehr schlechten Ruf, Untreue, Fremdgehen, Seitensprung …es gibt viele Bezeichnungen dafür. Doch ganz oft entstehen Affären aus Verliebtheit.

Besteht am Anfang noch der Glaube,noch rechtzeitig Nein sagen zu können, nur ein wenig die Grenzen zu verschieben, die Verliebtheit zu genießen… Verliebtsein, wenn es erwidert wird, ein Sog, ein Strudel, ein Tunnelblick, der nur eine Richtung kennt.
Dazu noch der Reiz des Verbotenen!
Die Folgen der Affäre werden völlig ausgeblendet.

Ein Doppelleben beginnt, eine Spaltung, mit Geheimnissen und Lügen, etwas, was unvermeidlich dazugehört, Affären haben ein schlechtes Image, die Lügen sind oft für alle das Schlimmste.
Während sehr bekannt ist, was die Affäre mit dem/der „Betrogenen“, Betroffenen macht, sind die Folgen für den/ die Affäreninhaber:in kaum im Fokus.
Auch sie erleben Schmerz, Angst, Trauer, Schuld, Gewissenskonflikte, Stress, Vertrauensverlust, Reduzierung der Selbstachtung, allerdings zeitlich nicht synchron.

Ist doch eine Affäre auch der Versuch, die eigene Beziehung nicht zu gefährden und gleichzeitig gut für sich zu sorgen. Ein extremer Loyalitätskonflikt.

Gleichzeitig ist dies eine Situation, wenn Verliebtsein eine Rolle spielt, die regelrecht überfordert, überwältigt, wie damit umgehen, möchte man doch niemanden verletzen, enttäuschen, was aber unvermeidlich ist, nur eine Frage der Zeit.

Da Affären immer noch ein Tabu sind, gleichzeitig alltäglich & fast banal einen Drehbuch folgen, sind sie und der Umgang damit auch immer ein Ergebnis sozialer Konstruktion. Ist es möglich, damit konstruktiv umzugehen, eher Warum- Fragen zu stellen? Die mehr mehr auf Verstehen & Sinn abzielen?
Sich auch selbst zu fragen:
Welche Liebe möchte ich leben, macht mich dass, was ich lebe, zufrieden, glücklich, frei?
Wie wollen wir umgehen mit Begehren & Begierde, Verlangen, Lust, Verliebtsein, Liebe und Neugier?
Warum das Geheimnis, die Lüge, warum kann ich nicht zu mir stehen?

Wenn wir alle könnten, wie wir wollten? Ohne negative Konsequenzen? Wäre ich dann nicht selbst in Versuchung? Was fürchte ich?

Auch wenn es möglicherweise paradox klingt:
Vielleicht liegt in einer Affäre mehr Aufrichtigkeit, als wir wahrhaben wollen & verkraften können?

Aber eins ist sie auf keinen Fall: böse, sondern bittersüß, unberechenbar, voller Lust und Schmerz, Liebe & Zerstörung, Befreiung und Begrenzung zugleich, menschlich.

„Untreue ist vielleicht das stärkste Mittel gegen eine erlöschende Liebe.“
(Emanuel Wertheimer 1846-1916)