Mut

„Stille Nacht, heilige Nacht…“

Laut und in den schrägsten Tönen hallt es über den Lübecker Weihnachtsmarkt.

Kopfschütteln, Empörung, Gelächter – ein etwa 10-jähriger Junge singt, während er den Text vom Handy abliest, vor ihm eine Mütze. Still ist die Nacht bei seinem Gesang bei weitem nicht mehr. Erregte Gemüter – das immaterielle Kulturerbe der Unesco hat hier nicht gerade einen Werbeträger.

Ich werfe ihm 5 € in die Mütze. 4 € für den unglaublichen Mut, 1 € in der stillen Hoffnung, dass er uns eine Pause gönnt.

Beim Weiterbummeln wieder zwei Mädchen, mit ihren Cellos, flankiert von stolzen Müttern, die immer wieder ihre Blicke schweifen lassen, ob ihre Mädels auch die gebührende Bewunderung bekommen. Eine wirklich perfekte Darbietung des Liedes, aber es berührte mich nicht, lies mich völlig kalt.

Der Gesang des Jungen, der hallte nach, der erreichte mich und ich wünschte mir, ich wäre in seinem Alter auch nur ansatzweise so mutig und voller Selbstvertrauen gewesen.

Seine Mütze übrigens war gut gefüllt, Mut lohnt sich.